Auf den höchsten Glarner !

(Bericht für "SchwabenAlpin", die Mitteilungen der DAV Sektion Schwaben, Heft 2/2006)

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Der Tödi (3614m) ist der höchste Berg der Glarner Alpen in der Schweiz, gelegen auf der Grenze zwischen den Kantonen Glarus und Graubünden. Ein gewaltiger Klotz aus Fels und Eis – und einer der Berge, die heutzutage leichter und häufiger mit Ski bestiegen werden. Die übliche Route aus dem Linthtal startet dabei auf gerade einmal 805m Seehöhe. Die Fridolinshütten auf 2111m teilen das Unternehmen in zwei akzeptable Tage. Dies sei "die anspruchsvollste Skihochtour der Glarner Alpen und wird zu den eindrücklichsten der Alpen gezählt" schwärmt der sonst so nüchterne SAC-Führer. Wann ist nun die beste Zeit für die Tour, wenn man oben gute Verhältnisse vorfinden aber unten die Ski nicht zu lange tragen will? Anfang April! - hat mehrjähriges Studium der entsprechenden Berichte auf www.basislager.ch ergeben! So haben wir es deshalb für eine Ausfahrt (Idee und Organisation: Volker Knappstein) unserer Tourengruppe geplant. Wetterglück stellt sich auch ein und wir können in Tierfed im hintersten Linthtal, das um diese Jahreszeit noch im ständigen Schatten liegt, tatsächlich gleich mit den Ski an den Füßen starten.


Schon der Hüttenaufstieg hat es in sich

Zwischen himmelhohen Wänden tief eingeschnitten führt ein Forstweg durch den Wald und über die historische Pantenbrücke, welche die Linthschlucht überspannt. Die derzeitige Brücke hat man 1901 einfach über die alte Brücke von 1457 drüber gebaut! Der Tunnel vor der Brücke ist noch mit Schnee versperrt und muss deshalb zu Fuß umgangen werden. Als sich der Wald lichtet, fühlt man sich fast erdrückt von den links und rechts über Tausend Meter aufragenden Wänden von Gemsistock (2429m) und Selbsanft (2905m). Bei der Alpe Hinter Sand (1300m) im Talschluss haben wir bereits eine Menge Strecke hinein ins Gebirg zurück gelegt. 800m Hüttenaufstieg stehen aber noch aus. Zunächst geht es ruppig über einen mit Latschen bewachsenen Steilhang hinauf ins Hochtal des Bifertenbachs, wo man sich entscheiden muss: die sichere Route zur Hütte verfolgt das Tal weiter und erreicht sie in einem großen Bogen über den Gletscher. Die Direktroute entlang des Sommerwegs ist ein ostseitig ausgerichteter Steilhang, welcher im Frühjahr schon am späten Vormittag die Gefahr von Nassschneerutschen birgt. Unser Tag ist zwar ein schöner, aber zum Glück auch ein kühler, deshalb können wir diese Route wagen. Nach 300 Hm nimmt uns ein Tälchen auf und nur noch sanfte Hänge sind zu den Fridolinshütten (2111m) zu queren, gelegen auf einer alten Seitenmoräne des Bifertengletschers.
Dort ist am Wochenende natürlich Hochbetrieb. Doch Hüttenwartin Gabi Aschwanden  (zur Erinnerung: was beim DAV der Hüttenwirt ist, ist beim SAC der Hüttenwart) mit ihrem Team hat den Laden voll im Griff, stellt die Versorgung mit Kuchen sicher, hat für jeden ein nettes Wort und dazu noch für den vergesslichen Schreiber dieser Zeilen zwei Harscheisen, ohne welche dieser am nächsten Tag ganz alt ausgesehen hätte.


Ein Museums-Biwak

Die beiden Gletscherbrüche, durch welche die morgige Route führt, lassen sich von der Hütte aus gut studieren. Etwas verloren steht 300m oberhalb die kleine Grünhornhütte (2448m). 1863 erbaut war sie die erste SAC-Hütte überhaupt. Wegen der Abschmelzung des Gletschers ist die Hütte heute weitgehend nutzlos, wer will kann aber in dieser musealen Biwakschachtel übernachten. Allerdings ist sie im Winter nicht zugänglich.
Da haben wir es in der warmen Stube trotz dem wegen der proppenvollen Hütte nötigen Schichtbetrieb beim Abendessen gemütlicher. Zum Abend hin erhebt sich ein mächtiger Föhnsturm, der uns um die morgige Tour fürchten lässt. Bis in die Nacht rüttelt er an der Hütte, doch zur "Tagwache" zur echten "Westalpenzeit" um 4,30 Uhr hat er sich zum Glück gelegt.


Mit Ski durch die Brüche

Leicht fallend bewegt sich gegen halb Sechs eine lange Reihe von "Glühwürmchen" auf den hier flachen Gletscher. Dort tut man gut daran das Seil anzulegen, denn im Zickzack verläuft die Spur durch Spalten und Klippen des unteren und nach einer "Verschnaufpause" des noch wilderen oberen Gletscherbruchs. Respekt vor dem Bergführer, der hier die erste Spur gelegt hat! Blau glänzt das Eis, doch noch reicht die Schneeauflage aus um fast durchgehend mit angeschnallten Ski durchzukommen. Unterdessen ist es hell geworden, die Bergspitzen ringsum leuchten rosa und oberhalb der Brüche, als die Hänge nun sanft werden, erreichen auch uns die ersten wärmenden Sonnenstrahlen. Besondere Schwierigkeit lauern nun nicht mehr – an Bifertenstock (3420m) und Piz Urlaun (3359m) gegenüber, kann man den Höhengewinn messen. Schließlich liegen sie weit unter uns. Über den "Fisetengrat" geht es vom höchsten Gletschersattel noch kurz nach links zum Piz Russein (3614m), dem höchsten Punkt (Zum Berg Tödi gehören auch noch der nahe Glarner Tödi, 3586m, sowie der Sandgipfel, 3390m). Stünden nicht schon so viele Leute oben, könnte man den Gipfel bis zum Kreuz mit Ski besteigen…


Die Schweiz von oben

Wegen seiner frei stehenden Lage zählt der Tödi zu den besten Aussichtsbergen der Alpen. Tatsächlich reichen die Blicke weit über die Schweiz hinaus. Als Eckpunkte können wir den Mont Blanc, den Ortler  und die Ötztaler Wildspitze ausmachen. Irgendwann wird es aber bei -10° C auch auf dem schönsten Gipfel kalt. In nicht optimalem, aber gut fahrbarem Schnee verläuft die Abfahrt zunächst unbeschwert. Dann folgen wir Spuren und einer Gruppe zur "Schneerus" genannten Rinne, mit welchem der heikle obere Gletscherbruch umfahren werden kann. Dort ist der Schnee allerdings sehr hart. Das 300m hohe Couloir ist im unteren Bereich eng und bis über 40° steil. Unter freundlicher Mitwirkung des Führers der anderen Gruppe aus dem Badischen verbinden wir unsere drei Seile zum einem langen Fixseil, an dem alle gesichert den Gletscherboden erreichen können. Der untere Gletscherbruch lässt sich mit der nötigen Vorsicht abfahrend bewältigen. Während die übrigen in der Sonne bei einem Vesper in der Sonne ausrasten können, muss einer nochmals zur Hütte queren, um die geliehenen Harscheisen zurück zu geben... Im besten Firn haben wir in den Hängen unterhalb des Gletschers noch eine gute Abfahrt und auch das lange Tal auswärts nach Tierfed laufen die Ski noch einwandfrei. Wenig später werden die Alpinisten hier stundenlang ihre Bretter tragen müssen… Nach 2km Straße lädt die sonnige Terrasse einer Gartenwirtschaft ein, die Tour auf den höchsten Glarner nochmals Revue passieren zu lassen.

Info:

Anfahrt: Stuttgart – Schaffhausen – Zürich – Richtung Chur – Glarus – Linthal – Tierfed

Karte: SLK 1:25000 Nr. 1193 Tödi

Führer: Alpine Skitouren 5, Glarus – St. Gallen – Appenzell, SAC-Verlag

Vollständige Gletscherausrüstung und Harscheisen nötig

Die Verhältnisse im Gletscherbruch wechseln häufig. Teils müssen die Ski im Bruch getragen werden oder alternativ durch die Schneerus-Rinne (dort Eisschlag-Gefahr!) oder den Sommerweg an der Gelben Wand (Klettersteig) aufgestiegen werden.

Fridolins-Hütten (2111m): bewartet von Ostern bis Pfingsten, sonst am Wochenende. Reservierung unbedingt notwendig, Tel. 0041-55 643 34 34


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